Interview: Diversity Management mit truffls

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Diversity Management mit einer Job App? Wie soll das gehen? Und warum ist das Konzept von truffls für qualifizierte und im Job erfolgreiche Frauen interessant? 

Spannende Fragen, denen wir im folgenden Interview nachgehen werden: 

Karin Schwaer von „GEHALTS SPRUNG für „Sie“! im Interview mit Tim Decker von truffls – dem „Tinder für Jobs“

 

 

Karin: Hallo Tim, magst du dich kurz vorstellen? Was ist dein Background und wie bringst du deine Kompetenz bei truffls ein?

Tim: Hallo Karin, ich habe während meines IBWL-Studium bei truffls im Bereich Marketing begonnen. Das ist jetzt 1,5 Jahre her und damals bestand die “Marketingabteilung” nur aus mir und meiner Vorgesetzten. Mittlerweile sind wir zu viert, truffls hat sich also wirklich schnell entwickelt. 

Meine Bachelorarbeit habe ich damals – inspiriert durch meinen Nebenjob bei truffls – über “Anonyme Bewerbungen und Diversity-Management in Unternehmen“ geschrieben. 

Meine Berufsbezeichnung ist derzeit „Digital Media Specialist“. Zu meinen Aufgaben gehören hauptsächlich die Erstellung von Content für die Sozialen Netzwerke und deren Auswertung und Optimierung.

Karin: Sehr spannend. Besonders das Thema deiner Bachelorarbeit. 

Du hast dich also intensiv mit dem Thema „Anonyme Bewerbungen und Diversity Management“ beschäftigt. Was hat dich dazu bewogen und wieso hat dich der Nebenjob bei truffls dazu inspiriert?

Tim: Unsere Job App ist so konstruiert, dass Personaler zunächst nur die Skills der jeweiligen Person sehen – ohne Einblick in das Alter, die Herkunft oder das Geschlecht zu erhalten:

Truffls Dashboard für Personaler

Truffls Dashboard für Personaler

Das fand ich spannend, denn es war eine absolute Neuheit und hat bis heute einen konkreten Einfluss auf das Recruiting mit truffls. Ich fand diesen Aspekt somit aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Perspektive interessant. 

Das Thema Gleichberechtigung ist eines der zentralen Probleme unserer Zeit, deshalb hat es auch ganz gut gepasst, sich damit wissenschaftlich auseinanderzusetzen. 

Aus diesem Grund kam ich zu dem Entschluss, das im Zuge meiner Bachelorarbeit zu thematisieren. 

Karin: Es heißt immer, Frauen seien deutlich zurückhaltender damit, sich auf Positionen zu bewerben als Männer, wenn sie nicht zu 120 % das ausgeschriebene Profil erfüllen. 

Wie sind eure Erfahrungen damit? Ihr könnt doch die Aktivitäten in eurem Kandidatenpool messen, oder nicht? 

Tim: Es gibt tatsächlich einen Unterschied im Swipe-Verhalten zwischen Männern und Frauen. 

Frauen swipen nur etwa halb so viel wie Männer. 

Truffls App Stellenangebot

Truffls App Stellenangebot

Dafür sind die Unterschiede in der Match-Rate aber marginal – man kann also sagen, dass Frauen gezielter, also effektiver vorgehen und Männer eher breiter streuen.

Karin: Also wird die App von Frauen und Männern unterschiedlich genutzt?

Tim: Ja genau.

Karin: Noch mal konkret zur App: Könntest du kurz erläutern, wie das genau funktioniert? Speziell interessieren würden mich auch die Fragen: Wie sieht es aus mit dem Datenschutz? Kann ich swipen, so oft ich möchte? Und wie behalte ich den Überblick über meine Aktivitäten in/mit der App?

Tim: In unserer Job App ist ein Swipe nach rechts eine Bewerbung. 

Truffls Swipe nach rechts bekundet Interesse

Truffls Swipe nach rechts bekundet Interesse

Grundsätzlich gibt es hier keine Swipe-Begrenzung. Wenn aber zu schnell und zu monoton geswiped wird, meldet sich die App irgendwann mit einem cooldown. So soll Spam vermieden werden. 

In der App kann man genau einsehen, welche Matches man hat. Sobald eine Stelle mit „nicht interessant“ versehen wurde, taucht sie auch so schnell nicht wieder auf. 

Einen falschen Swipe kann man hingegen mit Schütteln des Smartphones rückgängig machen. 

Möchte sich der Nutzer nicht direkt entscheiden, besteht auch die Möglichkeit sich einen Job zu merken, indem nach unten geswiped wird. Truffls nutzt dabei eine sehr intuitive Bedienung. 

Zusätzlich ist unsere Job App komplett datenschutzkonform und erfüllt alle Voraussetzungen der DSGVO – die Daten bleiben bei uns und sind erst nach einem “Match” vonseiten des Personalbüros des jeweiligen Kunden zu sehen.

Karin: Wie kommen eigentlich die Stellenangebote in die App? Wie ist euer Geschäftsmodell? Ist es für Nutzer grundsätzlich kostenfrei?

Tim: Stellenanzeigen in der App werden von unseren Partnerunternehmen geschaltet. Es haben bereits über 30.000 Unternehmen mit truffls zusammengearbeitet. 

Es gibt bei truffls zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle:

Entweder können Unternehmen Stellenanzeigen erwerben oder sie zahlen pro erfolgreich eingestelltem Kandidaten eine Vermittlungsprovision. 

Für die BewerberInnen ist truffls selbstverständlich kostenlos.

Karin: Wie genau funktioniert euer Matching? 

Tim: Das genaue Prozedere ist natürlich ein Geschäftsgeheimnis. Aber vielleicht soviel: Der Matching Algorithmus sorgt dafür, dass den Nutzern der App die richtigen Jobs vorgeschlagen werden. 

Dafür werden zahlreiche Punkte, wie z.B. Kategorie, Titel und geforderte Fähigkeiten für den Job mit den Wünschen des Users abgeglichen. 

Fängt der Nutzer an die App zu verwenden, lernt der Algorithmus bei jedem Swipe mit. Somit kann die App noch besser vorhersagen, welche Stelle für welchen Kandidaten interessant sein könnte.

Karin: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitgeber nach einem „Swipe“ Kontakt aufnehmen?

Tim: Das kann man pauschal nicht sagen. Es ist aber durchaus so, dass die Rücklaufquote von Jobs für die Recruiter bezahlen, sehr viel höher ist, als bei den kostenlos eingestellten Job-Angeboten. 

Das liegt daran, dass die Premium-Jobs ein genaueres Targeting zulassen und unser Team die Stellenanzeige auf die für unseren Algorithmus relevanten Informationen anpasst.

Karin: Ich würde gerne noch mal zurückkommen auf dein Spezialthema „Diversity Management“. Was ist die zentrale Aussage für dich im Hinblick darauf? 

Tim: Eine zentrale Aussage des Diversity Managements zu finden ist sehr schwierig, da es verschiedene Ansätze gibt. 

Für einige Autoren bedeutet Diversity Management allen Talenten zu ermöglichen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. 

Im Kontrast dazu sehen andere Autoren eindeutige wirtschaftliche Vorteile für das Unternehmen, da beispielsweise mit einem heterogenen Team auch Menschen aus Minderheiten angesprochen werden. Dieser Aspekt wird übrigens stark diskutiert, da Minderheiten nicht nur für Nischen eingestellt werden sollen. 

Auch wenn der Ursprung des Diversity Managements in der Bürgerrechtsbewegung liegt, so sind es eher ökonomische Gründe, die letztendlich die stärksten Argumente für die wirtschaftliche Implementierung von Diversity Management liefern.

Karin: Über truffls werden Bewerberprofile zunächst anonym ausgespielt. Das heißt doch, es geht im ersten Schritt ausschließlich um Qualifikation. Das könnte ein Vorteil für Frauen sein – wie siehst du das?

Tim: In der Tat gibt es ein berühmtes Experiment aus den USA. Dabei werden bei Orchester-Neubesetzungen sogenannte „blind auditions“ genutzt, bei denen eine tondurchlässige Trennwand eingesetzt wird. Die Trennwand dient als Sichtschutz dazu die Identität der MusikerInnen vor dem Komitee zu verbergen. Es wurde festgestellt, dass die Trennwand die Wahrscheinlichkeit um 50 Prozent erhöht, im Gegensatz zu herkömmlichen Auditionen, dass eine Frau in den Vorrunden ausgewählt wird. Die Adoption der Trennwand und „blind auditions“ helfen Musikerinnen demnach deutlich bei ihrer Suche nach einer Position in einem Orchester. 

Aus diesem Grund kann man sagen, dass truffls quasi wie eine Trennwand funktioniert. 

Karin: Bedeutet das, dass Arbeitgeber mit der Nutzung von truffls ein wenig „vor sich selbst geschützt werden“? Und das auch im Hinblick auf AGG oder das Ausschließen von stereotypen Entscheidungen?

Tim: Die Zielsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es ja, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. 

Dadurch, dass die Profile zunächst anonym angezeigt werden, können auf jeden Fall unbewusste Vorbehalte verhindert werden. 

Unbewusste Vorbehalte entstehen durch Stereotypen. Stereotypen werden als Prototypen beschrieben, welche als implizite Erwartungen beeinflussen, wie eingehende Informationen interpretiert und erinnert werden. 

Mit anderen Worten, Stereotypisierung verursacht Diskriminierung, indem sie beeinflusst, wie Individuen Informationen über andere Menschen verarbeiten und abrufen. 

Aus der Wissenschaft weiß man: Stereotypisierung ist wahrscheinlicher, wenn die Zielperson eine Alleinstellung in einer homogenen Gruppe innehat, beispielsweise die einzige Frau unter männlichen Kollegen ist. 

Das Problem hierbei ist, dass diese Vorurteile oder Vorbehalte den Personalern unbewusst sein können. Diese unbewussten Vorurteile werden von Menschen genutzt, um schnell zu einer Meinung zu Personen zu kommen. 

Der Mensch hat von Natur aus mehr Skepsis gegenüber Fremdartigem. Dabei spielt auch die sogenannte Homophilie eine entscheidende Rolle. 

Soziale Homophilie ist ein Prinzip, welches besagt, dass der Kontakt zu ähnlichen Menschen wahrscheinlicher ist. Somit entsteht mehr Bindung und es entwickeln sich leichter Interaktionen zu diesen. Ähnlichkeitsattraktion kann dabei von verschiedenen Kriterien, beispielsweise dem gleichen Geschlecht, gleichen Neigungen oder der gleichen Herkunft, hervorgerufen werden. 

Diese unbewussten Denkmuster sollen den Menschen schützen, doch eben dieser Schutz ist im Falle des Anstellungsprozesses ein Problem. 

Wenn also mit truffls in der ersten Phase des Einstellungsprozesses nicht diskriminiert werden kann, schützt truffls, wenn man das so will, die Arbeitgeber vor sich selbst.

Denn mit truffls kann sich unvoreingenommen auf Skills und Talent konzentriert werden.

Karin: Was würdest du speziell qualifizierten und im Job erfolgreichen Frauen mit auf den Weg geben? Abgesehen davon, schnellstmöglich ein truffls-Profil einzurichten? ? 

Tim: Es gibt keinen Unterschied in der Qualifikation von Mann und Frau. Es gibt für jede Stelle auch eine perfekt passende Frau. Sei es im Marketing, im Vertrieb oder auch in der IT. 

Frauen sollten sich unbedingt bewerben, auch wenn es noch keine Frau in der entsprechenden Abteilung gibt und auch wenn sie sich noch nicht hundertprozentig qualifiziert fühlen. 

Es muss hier auch nicht von Minderheit und Mehrheit geredet werden. Es gibt immer die eine Erste, die sich „traut“. 

Wenn man als gutes Vorbild vorausgeht, ist das Motivation für andere. 

Wenn Frauen beispielsweise in der IT häufiger vertreten sind, dann gibt es auch keine Fremdartigkeit mehr und das wäre moralisch und wirtschaftlich doch für alle gut!  

Karin: Die Bereitschaft, sich auf dem Arbeitsmarkt auch einfach mal ein wenig „umzuschauen“, ist sicher auch von der Frage abhängig, ob man sich finanziell verbessern kann. Und die Vergütung ist häufig einfach Verhandlungssache. Es ist nun kein Geheimnis, dass Frauen hier statistisch betrachtet schlechter abschneiden als Männer. 

Wie schätzt ihr die Bereitschaft von Unternehmen ein, da möglicherweise mehr Transparenz reinzubringen und beispielsweise auch direkt einen Vergütungsrahmen bei einer Ausschreibung anzugeben? Was sagen eure Kunden dazu? 

Tim: Geld ist immer noch eine Sache, über die hierzulande wenig gesprochen wird. 

Dabei zeigen Statistiken, dass die Gender Pay Gap geschlossen werden kann, wenn Unternehmen ihre Gehälter offenlegen. 

Eine Angabe zur Gehaltsspanne ist aber in unserer App nicht vorgesehen, weil Gehalt auch immer von verschiedenen Faktoren abhängt. 

Wenn eine Stelle zum Beispiel mit 40 – 50k ausgeschrieben wird, kann es sein, dass ein erfahrener Bewerber eher die 50k Grenze verlangen kann, während ein Berufsanfänger ein Gehalt an der unteren Grenze bekommt. 

Trotzdem kann es meiner Meinung nach helfen, unter Kollegen offen damit umzugehen. 

Denn fühlt sich irgendjemand unfair behandelt, sinkt für gewöhnlich die Motivation und das schadet den Unternehmen bekanntlich mehr als alles andere.

Karin: Das war sehr interessant. Vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit genommen hast. Wir bleiben sicher im Gespräch!

PS: 

Im Blogbeitrag „Selbstbewusst in die Gehaltsverhandlung mit BATNA, WATNA, ZOPA“ war die Job App truffls bereits ein Thema. 

Es ging darum, warum es im Rahmen der Vorbereitung auf Gehaltsverhandlungen sehr sinnvoll ist, sich Gedanken über die eigenen Alternativen zu machen bzw. daran zu arbeiten. Denn:  

1. Alternativen zu haben, zu stärken oder zu entwickeln verschafft Selbstbewusstsein, Sicherheit und Verhandlungsmacht.

2. Ein Verhandlungsergebnis sollte letztlich besser sein als mögliche Alternativen.

Ich denke, dieses Interview hat gezeigt, dass truffls diesen Prozess sehr zielgerichtet, ohne zeitaufwändige Bewerbungsprozesse, unterstützen kann.

Sind dazu noch Fragen offen geblieben? Immer her damit! 

 


Das Interview erschien zuerst auf dem Blog Gehaltssprung für “SIE” von Karin Schwaer.


Kommentare

  1. hi, erstmal super sache und vielen dank, dass es diesen blog gibt und dass dieser gepflegt wird mit neuen informativen beiträgen.

    ich habe bereits 2015 von truffls gehört, aber sie damals nicht runtergeladen, da ich angestellt war.
    nun hat sich meine realität geändert und ich muss mich nun erneut bewerben. ich fand es damals schon sehr erniedrigend mich zu bewerben, da ich teilweise sehr fragwürdige antworten erhielt oder man mir schlicht am telefon erzählte, man stellt keine personen von “außerhalb” europas ein.
    auch heute ist es nicht besser. zwar gibts nun diversity management, aber dies gilt meist nur für frauen, und nicht für menschen, die offensichtlich einen ansehbaren migrationshintergrund haben.
    ich habe kollegen in einem anderen team, die “keine n* und türken” in ihrem team haben wollten und so ans HR kommunizierten. das war fürs HR ok.
    ein anderes team meinte, sie möchten keine frau im team haben, da dies die teamordnung durcheinanderbringe, nach sechs monaten hin und her, einschalten des chefs, wurde eine frau plaziert. ja. eine frau wurde plaziert. die rassistische aussage blieb jedoch. unser HR besteht ausschließlich aus frauen.
    ich finde es unglaublich schade, dass das meine realität im jahr 2018 war und hoffe durch den neuen job es hoffentlich besser wird, da ich sowas untragbar finde. leider sieht man mir anhand des namens und der hautfarbe sofort an, dass wohl meine großeltern nicht aus deutschland stammen, jedoch sind meine eltern und ich hier in deutschland geboren. ist aber den meisten ja trotzdem egal.

    würde mich freuen hierzu mal einen ordentlich knackigen artikel zu lesen, da dies zu wenig behandelt wird.

    1. Lieber Marcus,
      Danke für deinen Kommentar. Solche Geschichten hören wir leider immer noch viel zu häufig. Niemand sollte aufgrund seines Geschlechts oder Herkunft benachteiligt oder bevorzugt werden. Deshalb setzen wir bei truffls auch auf die anonymisierten Bewerbungen, weil wir glauben, dass jeder Mensch nach seinen Leistungen und Erfahrungen beurteilt werden sollte.
      Ein entsprechender Blogpost ist noch nicht in Planung, aber wir nehmen das Thema sehr ernst und schreiben gerne noch einmal ausführlicher darüber. Danke für dein Feedback und alles Gute!

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