“Do what you love, and you will never have to work a day in your life.” – “Follow your passion.” – etc.
Das Internet ist voll von Sprüchen dieser Art. Ob als Motivationsbild oder als Blogbeitrag á la “How to do what you love”. Die Botschaft: Tu, was Dich glücklich macht, das Geld folgt dann automatisch. Zumindest, wenn Du es richtig machst. Dafür gibt es zahlreiche Ratgeberbeiträge, wie das passionierte Individuum in 10, 13 oder 20 Schritten sein Ziel erreicht. So einfach? Nicht ganz. In den letzten Jahren häufen sich die kritischen Stimmen. Und es lohnt sich, ihnen einmal zuzuhören.
Richtig: Eine kleine Minderheit der arbeitenden Menschen kann ehrlich sagen “Ich liebe meinen Job!”
Auch richtig: Am liebsten würden wir das alle sagen können. Miya Tokumitsu nennt “Do what you love” das inoffizielle Arbeitsmantra der heutigen Zeit. Ein problematisches Arbeitsmantra.
Problem Nr. 1: Allein die Möglichkeit zu haben, seinen Karriereweg in Hinblick auf Selbstverwirklichung wählen zu können, ist ein großes Privileg. Nach Tokumitsu wird durch das “Do what you love”-Kredo all die unliebsamere Arbeit, die eigentlich den Großteil aller Arbeit ausmacht, ausgeblendet und entwertet. “In ignoring most work and reclassifying the rest as love, DWYL may be the most elegant anti-worker ideology around.” Problem Nr. 2: Das DWYL-Mantra bietet eine gute Ausrede für Ausbeutung. Tokumitsu schreibt: “Nothing makes exploitation go down easier than convincing workers that they are doing what they love.”
Nun einmal angenommen, Du gehörst zu den Privilegierten, die eine Wahl haben. Und Du willst eine Arbeit, die für Dich erfüllend ist. Dann bleibt immer noch die Frage: Wie schafft man das?
Cal Newport widmet dieser Frage in So Good They Can’t Ignore You. Why Skills Trump Passion in the Quest for Work You Love über 200 Seiten. Für das Buch hat Newport Menschen mit den unterschiedlichsten Berufswegen befragt. Erfolgreiche und gescheiterte. Einige haben einen Beruf, mit dem sie glücklich sind, andere sind noch auf dem Weg dorthin. Vom Bluegrass Gitarristen über einen Archäologen, eine Harvard Professorin und eine Software Entwicklerin bis zum Venture Capitalisten. Aufbauend auf den Lebens- und Berufswegen dieser Individuen stellt Newport vier Regeln auf, die wichtig sind um eine Arbeit zu finden, bei der man liebt was man tut.
- Rule #1: Don’t Follow Your Passion
Warum? Leidenschaft ist selten. Und Leidenschaft kann irreführend sein. Die Suche nach der einen perfekten Arbeit hat Potenzial zu dauerhafter Unzufriedenheit.
Viele Menschen haben überhaupt keine besondere Leidenschaft, nicht von Anfang an. Ja, der viel zitierte Steve Jobs hat gesagt: „Follow your passion”. Hat er gesagt, aber selbst nicht gemacht. Für den jungen Steve Jobs war Technologie hauptsächlich ein Mittel um schnell Geld zu verdienen. Wäre er einfach seiner Leidenschaft gefolgt, dann wäre Jobs statt CEO bei Apple wahrscheinlich Lehrer in einem Zen-Zentrum geworden.
„Follow your passion“ ist ein schlechter Ratschlag.
Aber wenn nicht seiner Leidenschaft folgen, was soll man dann stattdessen tun?
- Rule #2: Be So Good They Can’t Ignore You
Es gilt, wertvolle Kenntnisse und Fähigkeiten, also career capital zu sammeln. Wichtig dafür ist ein Mindset, bei dem der Fokus auf dem Wert liegt, den Du der Welt bieten kannst, nicht die Welt Dir.
- Rule #3: Turn Down a Promotion
Kontrolle ist wichtig, Kontrolle über Deine eigene Tätigkeit. Das funktioniert aber nur mit genug career capital. Und auf dem Weg dorthin gibt es einige Fallen. Da kann auch mal eine Beförderung die falsche Richtung sein.
- Rule #4: Think Small, Act Big
Eine attraktive Karriere ist oft eine Karriere mit einer Mission. Nur stehen die besten Impulse und das Entstehen einer sinnvollen Mission oft gar nicht am Anfang dieser Karriere, sondern erst nach Aneignung von genug Expertise.
Das career capital funktioniert nach Newport wie eine Art Währung, die man sich erarbeiten muss, um sie dann gegen Charakteristiken eintauschen zu können, die eine attraktive und erfüllende Arbeit ausmachen. So wie Kontrolle und eine Mission.
Zusammengefasst: “Don’t find your passion so that you can be useful – Be useful so that you can find your passion.”
Diese Regeln können sicher nicht jedem als Erfolgsrezept dienen und sind auf verschiedene Branchen unterschiedlich gut anwendbar. Dennoch sind sie ein guter Ansatzpunkt. Die Zitate von bedeutenden Persönlichkeiten auf schönem Hintergrund können zwar ansprechend und kurzweilig motivierend sein. Wirklich bereichernd sind aber erst die Lebensgeschichten dahinter, die oft alles andere beinhalten, als das durchgängige Verfolgen eines Ziels und einer Leidenschaft. Außerdem: was ist denn ein guter und erfüllender Job? Richtig, komplett subjektiv und für jeden etwas anderes – wir wünschen Dir viel Glück und Erfolg dabei, Deinen zu finden.