Darum sind Werte so wichtig wie Skills – Recruiting Tipps

In diesem Interview erklärt uns Patrick, Wirtschaftspsychologe (M. Sc.) und Manager für Training & Development bei der TAM Akademie in Berlin, warum Werte so wichtig sind wie Skills. Patrick hilft Menschen dabei, eine Business-Trainer Ausbildung, New Work Facilitator- oder Leadership Programme bei der TAM Akademie zu absolvieren und ist der Inbegriff eines Slogans von Zig Ziglar: „If you are not willing to learn, no one can help you. If you are determined to learn, no one can stop you.”

Bei der Beurteilung von Kandidat*innen achten Menschen im Recruiting hauptsächlich auf die Hard- und Softskills der sich Bewerbenden. Ist das sinnvoll?

Generell ist es auf jeden Fall sinnvoll, aber nicht die alleinige Lösung des Rätsels. Hardskills sind quasi die notwendige Bedingung, um ein Match zum ausgeschriebenen Anforderungsprofil zu erfüllen. Damit erhöht sich systematisch die Chance, einen Job erfolgreich ausführen zu können. Dazu kommt, dass Hardskills durch definierte Kriterien relativ einfach im Lebenslauf und im Interview zu erkennen sind – klarer Vorteil für alle Recruiter.

Softskills als überfachliche Kompetenzen sind hingegen schon schwieriger zu identifizieren jedoch mindestens genauso wichtig. Sie sind oft nicht unmittelbar dem Lebenslauf zu entnehmen und müssen in Interviews, Assessment-Centern oder Arbeitsproben festgestellt werden. Das ist oftmals deutlich aufwändiger.

Und wann kommen die Werte ins Recruiting?

Genau jetzt. Wir erleben seit einiger Zeit einen Wandel im Recruiting. Die Zeiten eines Arbeitgebermarkts sind längst vorbei. Es geht auch darum, dass Kandidat*innen sich ihre Wunsch-Unternehmen aussuchen können und wollen –nicht umgekehrt.

Je besser also der Werte-Fit zwischen Unternehmen und Kandidat*in ist, desto wahrscheinlicher ist nicht nur die reine Stellenbesetzung, sondern auch eine hohe Retention und Performance.

Wie können Unternehmen wertebasiert recruiten?

Dafür ist es absolut notwendig, dass Unternehmen ihre eigenen Werte, z.B. in Form von Core Values definiert haben und auch in ihrer Unternehmens- und Führungskultur leben. Auf Basis der Unternehmenswerte kann der gesamte Recruitingprozess abgestimmt werden. Je transparenter diese Werte im Recruiting-Prozess eingebunden und vermittelt werden, desto validere Entscheidungen können Unternehmen und Kandidat*innen treffen, wenn sie sich für oder gegeneinander entscheiden.

Hast Du dafür ein Beispiel parat, um es konkreter und anschaulicher zu machen? 

Ich gebe Euch gerne einen Einblick in die TAM Akademie. Dort haben wir einen Core Value namens „Hungry 4 Growth”. Damit ist unternehmerisches aber auch persönliches Wachstum gemeint. Jeder Mensch, der bei uns anfängt zu arbeiten, bekommt diesen Wert von Beginn an sehr transparent vermittelt und wird auch daran gemessen. Bei Menschen, die noch nie ein Sachbuch zur eigenen Entwicklung gelesen oder eine Weiterbildung besucht haben, stehen die Chancen schlecht, dass sie „hungry 4 growth” sind. Wir testen alle Kandidat*innen im Recruiting-Prozess auf alle unsere Core Values.

Warum genau ist wertebasiertes Recruiting wichtig?

Anschaulich wird es für mich durch den Slogan „Hire for values, train for skills!”. Rollen können sich heutzutage schnell verändern und sogar erweitern. Ganze Geschäftsmodelle können durch Krisen umgekrempelt werden. Daraus ergeben sich auch neue Anforderungen an die Mitarbeiter*innen, die durch Training und Weiterentwicklung angepasst werden können. Was jedoch tendenziell viel konstanter ist, sind die grundlegenden Werte. Diese sind eher formstabil und bleiben auch in der viel besungenen VUCA-Welt bestehen. 

Sie sind also eine Art verlässliches Geländer, das Unternehmen und Mitarbeiter*innen Sicherheit und Orientierung in der langfristigen Zusammenarbeit gibt, auch wenn sich Aufgaben und Rollen dynamisch verändern. 

Werte sind die Grundlage für erfolgreiches Employer Branding und sollten damit auch Grundlage für den Recruitingprozess sein. 

Was sind die Unterscheide zwischen Werten und Skills? 

Skills sind anforderungsorientierte Kompetenzen, also Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Bewerber*innen mitbringen oder auch erlernen können. Sie lassen sich klassischerweise unterteilen in Softskills und Hardskills.

Werte hingegen sind übergreifende Einstellungen und innere Haltungen eines Individuums oder auch eines Unternehmens. Werte bedürfen einer tieferen Reflexion, um wirklich sichtbar zu werden. Genau hier kommt auch die Arbeit von Recruiter*innen ins Spiel, um eben diese Werte wirklich sichtbar zu machen und ein optimales Match zwischen Kandidat*innen und Unternehmen sicherzustellen.

Gibt es bestimmte Vorgehensweisen, wie man die Werte von Kandidat*innen schon vor einem persönlichen Gespräch ergründen kann?

Natürlich kann man dazu Thesen auf Basis des CVs aufstellen. Vielleicht wird das am Beispiel des Wertes „Hungry 4 Growth” für die TAM Akademie deutlich. Wenn ich als Unternehmen eine Kandidatin sehe, die in ihrem CV bereits mit 26 ein abgeschlossenes Bachelor- und Masterstudium vorweist und sich schon seit einem Jahr in der ersten Führungsposition befindet, kann ich vermuten, dass diese „hungry 4 growth” als Wert lebt.

Im Prinzip können auch vorige Arbeitgeber*innen, Wohnorte, Interessen oder besondere Tätigkeiten erste Hinweise auf wichtige Werte geben. Das allein reicht mir aber noch nicht.

Was ist darüber hinaus im persönlichen Kontakt wichtig?

Im persönlichen Kontakt kann ich Werte noch viel genauer ergründen. Hier können Werte besser abgefragt und an konkreten Beispielen belegt werden.

Dafür eignen sich für Recruiter*innen bestimmte Interview-Techniken hervorragend.

Dazu vielleicht zwei Beispiele:

  1. Critical Incident Technique
    Die Critical Incident Technique (CIT) ist eine qualitative Interviewmethode, bei der nach „kritischen Verhaltensweisen” von Kandidat*innen gefragt wird. Durch standardisierte Befragungen von Recruiter*innen können so Rückschlüsse auf künftige Situationen gezogen werden. Auch Werte und Motive können durch diese Interview-Technik hervorragend offengelegt werden.
  2. STAR Technique
    Die STAR-Methode findet ihren Ursprung am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Sie eignet sich z.B. für Storytelling, Befragungen und Interviews. STAR ist ein Akronym und setzt sich folgendermaßen zusammen:
    Situation: Welche Situation hast du vorgefunden?
    Task: Was war deine konkrete Aufgabe dabei?
    Action: Was hast du konkret getan?
    Result: Welches Ergebnis hast du erreicht?
    Durch diese ebenfalls qualitative Interviewmethode kann vermeintlich oberflächlichen Antworten mehr Tiefe verliehen werden. Bewerber*innen legen dabei oft auch ihre eigenen Werte und Motive offen.

Hättest du ein paar Beispielfragen, die man Bewerber*innen stellen könnte?

Das kommt natürlich immer auf den Einzelfall an, aber einige generische Formulierungen lassen sich in jedes gute Interview integrieren:

  • Was ist dir bei deiner Arbeit besonders wichtig?
  • Was wäre ein Ausschlussgrund, dich NICHT bei einem Unternehmen zu bewerben?
  • Was bedeutet für dich „Growth Mindset?”
  • Was waren deine 2 größten beruflichen Challenges?
  • Was hat dich schon einmal richtig frustriert?
  • Wenn wir deine Familie / ehemalige Kolleg*innen bitten würden, dich in 4 Worten zu beschreiben, welche Worte wären das?

Wie kann man denn herausfinden, ob diese Werte von sich Bewerbenden nur „vorgespielt” werden oder sie wirklich diese Werte leben – ohne dass sich das Gespräch dabei anfühlt wie ein Kreuzverhör? 

Genau hierbei helfen Interviewtechniken wie die CIT- und STAR-Technique, um den Antworten mehr Tiefe zu verleihen: Nachfragen, erklären lassen und versuchen zu verstehen. 

Generell helfen hierbei vor allem systemische Fragetechniken, die ihren Ursprung im Coaching haben.

Was mir in meiner Rolle als Recruiter immer am Herzen liegt, ist ein offenes und aufrichtig interessiertes Gespräch ohne „Hidden Agenda“ und stattdessen mit „offenem Visier”. Denn auch den Kandidat*innen soll nichts vorgespielt werden!

 

 

 


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